#9: Der Fiedler (Teil 2)

„Was ist das?“, flüsterte Retep. Er sah sich einige Male um. Vielleicht war Velted vom Mondgestein entwichen. Er sah nach oben. Es war nichts zu sehen und Retep wusste, dass man so schnell nicht einfach davonfliegen könnte.
Er stand hier ganz allein, auf einem feststeckenden Raumschiff auf dem Mond und der nächstgelegene Ort, eine Tankstelle, die möglicherweise gerade Kunden hat, lag siebenhundert Kilometer entfernt. Selbst wenn Retep jetzt alleine loslaufen würde, er würde es nicht schaffen, bis dort hin zu gelangen.
Retep kletterte vom Schiff und begann sich dagegen zu stemmen. Es bewegte sich nicht mal, als er versuchte es mit aller Gewalt aus dem Boden zu ziehen.
Nach einigen missglückten Versuchen (und zwei Flaschen Bier) beschloss er, einfach loszulaufen, vielleicht würde er ja Velted treffen oder irgendjemanden, viel Hoffnung hatte er allerdings nicht.

Die ersten dreißig Minuten seiner Wanderung verliefen ruhig, was wohl auch daran lag, dass Retep ziemlich abwesend war. Er dachte eigentlich an gar nichts und irgendwas, das ihn hätte ablenken können, gab es in dieser einseitigen Landschaft sowieso nicht.
Bald wusste er schon gar nicht mehr, ob er überhaupt noch geradeaus lief, oder sich schon wieder auf den Rückweg machte. Einfach alles sah gleich aus; alles hatte die gleiche Form und alles war grau.

Nach drei Stunden erreichte er einen Krater, im Durchmesser von mindestens zwei Kilometern. Er war etwa hundert Meter tief. Retep blieb stehen. Und ohne nachzudenken, lief er auf ihn zu und befand sich irgendwann in dieser riesigen Schüssel. Diese Abwechslung kam ihm so gelegen, dass er sich alles ganz genau anschauen musste. Hätte er einen Fotoapparat dabei gehabt, würde er wahrscheinlich dastehen, wie irgendein Tourist.
Seine Aufmerksamkeit viel auf eine Reihe von Fußabdrücken. Sie wiesen ungefähr Schuhgröße vierzig auf. Retep bückte sich zu ihnen herunter. Als er die gesamte Spur betrachtete, erkannte er, dass die Person wohl gerannt ist.
Wenn diese Spuren noch frisch waren, würde er eventuell auf jemanden treffen, der ihn wieder zur Erde zurück fliegen könnte. Er folgte ihnen und bemerkte die sinnlosen Wege, die es gelaufen haben musste. Die Person lief oft in Kreisen, dann in Schleifen, oder rannte im Zick Zack. Tatsächlich aber, verliefen die Fußstapfen plötzlich wieder im unnatürlich kerzengeraden Gang. Retep befand sich immer noch im Krater, jedoch neigte er sich dem Ende zu. Die Fußspuren wiesen direkt auf die Erhöhung, die einen wieder aus dem Krater rausführen würde. Was soll das eigentlich? , dachte Retep.
Bald erkannte er, dass sie dort aufhörten. Was er erst eine Minute später sah, war dass ein dunkler Fleck im Boden gar kein Schatten war, sondern eine art Höhle. Er stand nun vor ihr. Sollte er sie nun betreten? Was, wenn es seine Tod bedeuten würde? Auf der anderen Seite war dies die einzigste Möglichkeit, mit einem Menschen Kontakt aufzunehmen. Er sah sich noch einmal um, dann kletterte er in das Loch im Boden.
Es war so dunkel, dass Retep nicht einmal genau wusste, ob er die Augen offen oder zu hatte. Er tastete sich an einer Steinwand entlang. Das Ganze schien eine art Gang zu sein. Irgendwie war ihm dieser Weg sympathisch und er fing an dämlich zu grinsen. Das änderte sich allerdings schlagartig, als er ein weiteres Loch in die Tiefe stürzte. Er schrie erbärmlich und versuchte, sich an etwas festzuhalten; er wollte seine Hände an die Wände es Schachtes stemmen, um sich so vor dem weiteren Abstürzen zu retten. Die Geschwindigkeit des Fallens und die sehr rauen Felswände rissen seine eigentlich stabilen Handschuhe auf. Er spürte, wie seine Hände durch das Gestein aufgeschlitzt wurden. Er hätte sie einfach wegnehmen können, jedoch wäre er dann noch schneller in den Tod gefallen. Deutlich spürte er, wie das Fleisch seiner rechten Hand eingeschnitten wurde, was einen weiteren Schrei verursachte. Scheiß drauf, dachte er sich und gab endlich nach. Unaufhaltsam raste er in die Tiefe und knallte auf den Boden. Sein lebenswichtiger Atmungshelm zerbrach und die Scherben flogen durch die Luft. „Ich bin gefallen“, stellte er fest. Es gab auf dem Mond keine Schwerkraft, wie war das möglich gewesen?
Retep röchelte nach Luft. Dieser „Boden“ der Höhle war ein riesiger Magnet, der alle metallischen Dinge (und davon hatte Retep genug) anzog.

Retep war zwar Meister im Luftanhalten, jedoch lief er so langsam schon blau an. Das Geräusch von vorhin begann schon wieder und es wurde lauter, schneller und nahm langsam eine völlig andere Gestalt an. Es klang nun, wie wenn eine Kuh Geige spielen würde. Und so war es tatsächlich auch, nur spielte keine Kuh, sondern ein Mensch sitzend in der Ecke. Die Melodie ergab keinen Sinn und war deutlich wahllos gespielt.
Das Blut von Reteps Händen floss unaufhaltsam weiter. Die Pfütze auf dem Boden vergrößerte sich und breitete sich in Richtung des Menschen aus. Die Musik verstummte. Der Typ stand langsam auf. Retep wollte etwas sagen, konnte jedoch nicht. Er hatte das Gefühl, als würde sich die Person auf ihn zu bewegen, er konnte es jedoch nicht richtig erkennen. Klarheit verschaffte ihm ein rotes Licht, das hinter ihm anging. Er starrte in das Gesicht eines langhaarigen Mannes, dessen Mund jedoch der einer Spinne glich. Die „Zähne“ bewegten sich auf und zu. Reteps Gesicht war von dem der Kreatur nur wenige Zentimeter entfernt. Bevor er etwas sagen konnte, raste das Gesicht des Mannes auf seinen Hals zu und biss fünf Zentimeter herein. Retep schrie trotz Atemmangel auf und der Vorgang wiederholte sich etliche Male. Der Kopf des Mannes raste vor und zurück, nahm jedes Mal ein Stück Fleisch aus dem Halse Reteps mit und verschlang dieses, wie ein Pelikan einen Fisch verschlingen würde. Der Kopf schnellte weiter und biss sich tief in Reteps Hals rein. Blut spritzte durch den engen Raum an die Wände. Reteps weißer Anzug veränderte somit die Farbe. Mit einem Schlag hatte Retep seinen Gegner zu Boden geworfen. Er ging auf die Kreatur zu und trat mit seinen schweren Schuhen auf dem Kopf des Monsters herum. Dieser jedoch war so hart, dass diese Aktion nicht von Erfolg gesegnet schien. Retep versuchte den Schacht zu finden, von dem er hergekommen war. Er fand nichts. Die Kreatur rannte von hinten auf Retep zu, fasste ihm an die Schultern und warf Reteps Körper durch den Raum. Retep knallte mit einem lauten Schlag gegen eine Wand. Im Fall dachte er an eine Tüte Chips.

Nachwort des Autors: Ist diesmal wohl ein bisschen zu brutal geworden! Sorry!

Abonnieren (RSS)

23. Juli 2011 by eckgefluester
 
 [Story]    Link  (0 Kommentare)   Ihr Kommentar    

1108 mal gelesen.













Letzte Beiträge und Kommentare /  Alte Schule  (eckgefluester)  /  #24: Festnahme  (eckgefluester)  /  #23: Das Eigenleben der Schaufel  (eckgefluester)  /  #22: Fraktur  (eckgefluester)  /  #21: Bunte Haare  (eckgefluester)  

Zum Kommentieren bitte einloggen.  Hüten Sie sich vor Erdbeeren! Erdbeerfan23, wir finden dich!

Dieses hübsche Layout basiert eigentlich auf Großbloggbaumeister 2.2, es sieht nur nicht mehr so aus! ;-) Ach übrigens! Dieser Blogroman ist bei Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de registriert. Nur so. Ciao!